Klara, die Ente

 

Im „Zirkus Wunderbar“ sind im Lauf der Jahre viele Tiere zusammengekommen. Der Herr Direktor hat ein sehr weiches Herz und kann keinem Tier etwas zu Leide tun. Obwohl er mit seinem schwarzen Schnurbart und den dunklen Haaren sehr streng aussieht liebt er alle Tiere. So ist der „Zirkus Wunderbar“ auch ein Zufluchtsort geworden für Tiere, die in Not sind oder von ihren Besitzern allein gelassen wurden.

So kam auch die Ente Klara zum Zirkus. Sie war auf einem Bauernhof in einem winzigen Stall mit anderen Enten und Hühnern. Eines Tages kam die Bäuerin mit einem langen Messer in den Stall, schnappte sich die Ente Klara und nahm sie unter den Arm. Eine andere Ente konnte Klara nur noch nachrufen: „ Arme Klare, du wirst wohl als Sonntagsbraten enden!“

Klara, die eine kluge Ente war, erkannte die Gefahr. Sie bog ihren Hals weit zurück und schlug dann ihren Schnabel mit aller Kraft auf die Finger der Bäuerin. Die ließ vor Schreck und Überraschung die Ente los. Und Klara rannte und flog und rannte laut quakend über die Wiese davon. Die Bäuerin lief laut schimpfend und stolpernd hinterher.

Am Rande des Dorfes hatte der „Zirkus Wunderbar“ sein Zelt aufgeschlagen.

Klara sah die bunten Wagen und rannte und flog so schnell sie konnte einfach darauf zu.

Zwischen den Wagen und kleineren Zelten war auch das Becken von Eduard dem Nilpferd und Luzifer dem Krokodil.

Eduard das Nilpferd wollte seine Ruhe und war, so wie meistens unter Wasser. Luzifer das Krokodil lag am Rand, dösend in der Sonne. Luzifer hatte außerordentlich schlechte Laune. Da hatte er in der letzten Nacht viele Stunden lang einen Menschen vor sich sitzen gehabt und durfte ihn nicht fressen. Nicht einmal ein Arm oder ein Bein war ihm gegönnt gewesen. Da musste ein Krokodil einfach übellaunig werden.

Eduard tauchte schnaubend und prustend auf und stieg langsam und gemächlich, so wie es seine Art war aus dem Wasser.

Da kam mit einem Mal ein kleines, weißes, laut quakendes Wesen angeflogen, schaffte es gerade noch über das Gitter zu kommen und setzte sich direkt auf den Schwanz von Luzifer dem Krokodil. Klara hatte ja noch nie ein Krokodil gesehen. Es gibt nicht viele Bauernhöfe mit Krokodilen.

Klara die Ente war so erschöpft, dass sie nur mehr ganz still und bewegungslos sitzen konnte.

Noch nie hatte sich ein anderes Tier auf den Schwanz von Luzifer gesetzt. Das Krokodil war über diese Unverschämtheit und Frechheit so fassungslos, dass es sich momentan überhaupt nicht bewegen konnte.

Eduard das Nilpferd stand starr vor Schreck, wie gelähmt daneben.

Klara kam wieder zu sich, schüttelte sich etwas, lockerte die Federn und spazierte, leise vor sich hinschnatternd am Rücken des Krokodils nach vorne.

Luzifer musste eigentlich nur noch warten, bis im die Ente in den Rachen lief.

Da erwachte Eduard das Nilpferd aus seiner Erstarrung. Rasch stieg er mit beiden Vorderbeinen auf das Maul von Luzifer und Klara konnte am rechten Ohr von Luzifer vorbei ins Wasser marschieren wo sie mit dem Schwanz wackelte und leise quakend um das Becken schwamm.

Eduard nahm ein Bein vom Krokodil. „Wenn du der Ente auch nur das Geringste zu Leide tust werde ich dir mit allen vier Beinen aufs Maul steigen“ sagte er. „ dann wird dein Maul noch flacher sein als es schon ist!“

Da kam mit lauten Geschrei die Bäuerin an das Gitter. In einer Hand hatte sie noch das große Messer, in der anderen Hand nur noch einige Federn von Klara.

Der Herr Direktor kam, vom Lärm angelockt herbei, erkannte sofort was vor sich ging und bot der Bäuerin an, sie könne selbstverständlich die Ente wiederhaben. Nur holen müsste sie sich das Tier schon selber.

Luzifer das Krokodil riss schon erwartungsvoll sein Maul auf.

Da drehte sich die Bäuerin schweigend um und ging wieder nach Hause.

So kam die Ente Klara zum „Zirkus Wunderbar“ und ich glaube sie ist heute noch dort.